Lebensfreude auf drei Pfoten!

Fragen und Tipps zu Drei- und Zweipfotern, sehbehinderten oder gehörlosen Katzen usw.
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Lebensfreude auf drei Pfoten!

Beitrag von watchcat » 12. Aug 2008, 18:20

Als Dosenöffnerin für einen Dreipfoter habe ich mich natürlich ein bißchen im Internet rumgetrieben und gelesen. Dabei bin ich erschrocken, was für Befürchtungen und Ammenmärchen im Umlauf sind. Ich glaube, dass viele Leute deshalb davor zurückschrecken, sich so eine Katze ins Haus zu holen - obwohl dafür überhaupt kein Grund besteht. Von daher liegt es mir am Herzen, einmal ein paar Dinge loszuwerden, sozusagen von Dreipfotenhalter zu Dreipfotehalter-in-spee:

1. "Arme, behinderte Katze"
Ein Dreipfoter ist nicht behindert. Jedenfalls nicht aus seiner Sicht. Klar ist er nach der Amputation noch etwas unsicher und muss erst lernen, was er jetzt wie machen muss, damit er alles machen kann, was er vorher auch gemacht hat, ohne dabei das Gleichgewicht zu verlieren. Aber Katzen sind unglaublich anpassungsfähig.
Beispielkater Bass:
Problem: "Mist, auf dem Katzenklo stehe ich unsicher im Streu. Wenn ich jetzt auch noch mit dem Hinterlauf scharre, verliere ich leicht das Gleichgewicht."
Lösung: "Ich setzt mich einfach vor das Katzenklo und scharre mit den Vorderpfoten!"
Mein Eindruck ist, dass man sich nicht zu viele Gedanken machen sollte, ob der Dreipfoter dies oder das schafft oder ob man ihm eine Hilfe bieten muss. Klar gibt es Ausnahmen, aber oft ist es so, dass gerade in dem Moment, in dem man das Material für eine Aufstieghilfe eingekauft hat, der Dreipfoter eine Möglichkeit gefunden hat, genau da raufzukommen.

2. "Dreipfoter können ihr Fell nicht richtig pflegen"
Das habe ich oft gelesen und habe daraufhin Bass mal genauer beim Putzen beobachtet. Die Linke Gesichtshälfte und den Hals pflegt er mit der linken Vorderpfote, den Rest der linken Seite leckt er auf der Seite liegend sauber. Er kommt eigentlich überall hin, vielleicht bleibt eine ganz kleine Stelle am unteren Ende des Halses, aber da schubbert er sich ab und an mal am Kratzbaum.
Klar, so eine bürstende Unterstützung von Dosenöffnerseite wird gerne genommen (übrigens von "normalen" Katzen genauso) und man lässt sich äußerst gerne am Ohr kratzen, aber es ist bei weitem nicht so, dass die Katze auf der Amputationsseite komplett verfilzt oder so, wie oft der Eindruck erweckt wird.

3. "Dreipfoter leiden nach der Amputation an Phantomschmerzen und können kein katzengerechtes Leben mehr führen. Man hätte sie besser eingeschläfert!"

Grundsätzlich bildet sich Phantomschmerz, v.a. nach heftigen Traumata, wenn die Amputation aus irgendeinem Grund nicht zeitnah erfolgen konnte. Je länger ein Schmerz andauert, desto größer die Chance, daß sich ein Schmerzgedächtnis ausbildet, das für Phantomschmerz verantwortlich ist. Natürlich kann man Katzen nicht befragen, ob sie Phantomschmerzen haben, aber es gibt eigentlich keinen Grund, warum Katzen was das angeht wesentlich anders gestrickt sein sollten wie der Mensch. Sprich: Klar kann es Phantomschmerzen geben, wenn eine Amputation nicht schnell erfogen konnte, ABER: ich habe noch nie einen Menschen mit Amputation getroffen, der gesagt hätte: wegen meinen Phantomschmerzen habe ich überhaupt keine Lebensqualität mehr, ich wäre lieber tot.
Mein Bass macht absolut nicht den Eindruck, als würde er kein katzengerechtes Leben führen. Er rennt, spielt mit dem Ball, verkloppt seine Mitbewohnerin, wirft Dinge runter, zerkaut andere Dinge und macht nicht den Eindruck eines zutiefst depressiven, schmerzgeplagten Selbstmordkandidaten.
Er ist Wohnungskater, aber ich bin fest davon überzeugt, wäre er Freigänger, wäre er der Chef im Revier. Bei einer Bekannten lebt ein Kater mit amputiertem rechten Vorderlauf, der hockt sich auf die Hinterpfoten und verprügelt jeden Eindringling mit der verbliebenen Pfote - egal ob anderer Kater oder Hund.
Keine Lebensqualität? Kein katzengerechtes Leben? Ich glaube nicht.

Ein letztes Wort noch an die Über-Katzenmamis unter uns (so wie ich):
Katzen sind schlau. Wenn sie erstmal kapiert haben, dass es Sondervergünstigungen gibt, weil sie die "arme, behinderte Katze" sind, habt ihr verloren.
Ihr werdet ständig als Zivi mißbraucht: heb mich hoch, heb mich runter, ich bin der Dreipfoter, ich darf auf den Tisch springen, weil das eine bewundernswerte Leistung ist, ich darf an der Tapete kratzen, weil ich doch so ein armes Ding bin und so weiter.
Bass hatte mich schon fast so weit, dass ich das frisch verlegte Laminat rausreißen und Teppich verlegen wollte, weil ja der arme Dreipfoter mit dem Laminat nicht zurecht kommt. Er ist nämlich immer, wenn er in sichtweite war seeehr vorsichtig gelaufen und möglichst auch noch ein bißchen mit dem Hinterlauf gerutscht. Armes, bedauernswertes Dreibein! Dann habe ich eines nachts durch Zufall gesehen, wie er mit Elan über die Türschwelle sprang auf der anderen Seite elegant auf dem Laminat landete, ohne irgendwelche Probleme den Laminatgang runterrannte und sich dort ohne zu rutschen in die Kurve legte. Erst als er mich dann in die Küche gehen sah, besann er sich eines besseren und begann wieder überdeutlich zu humpeln. Nachdem ich ihn nun nicht mehr bedauere, hat er das humpeln und rutschen eigenstellt und läuft sehr sicher über Laminat.
Es spricht sicher nichts dagegen, Teppich zu verlegen. Es macht das Rennen für Fellnasen leichter und entlastet den Gehörgang der Nachbarn - aber nicht aus Mitleid mit dem Dreipfoter!
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Beitrag von watchcat » 13. Aug 2008, 12:14

Das isses übrigens, das arme, bedauernswerte Dreibein... :wink:

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Mephisto

Beitrag von Mephisto » 28. Aug 2008, 12:15

Das ist aber ein hübscher Tiger ! [img]images/smiles/054.gif[/img]

Simone.

Beitrag von Simone. » 9. Sep 2008, 19:40

ein sehr sehr schön geschriebener Text

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